Endura Alpentraum Mitteldistanz – Die Stelvio lädt zum Tanz!

Endura Alpentraum Mitteldistanz – Die Stelvio lädt zum Tanz!

„VALAR MORGULIS“ (ALL MEN MUST DIE)!“ heißt es in Braavos und das galt an diesem Tag auch für uns, nur die Entscheidung wann und wo wir uns auf den vor uns liegenden knapp 150 Kilometern und 4500 Höhenmetern mit drei Pässen und finaler Bergankunft in Sulden ins Nirvana begeben würden, blieb jedem selbst vorbehalten.

Vom Team nahmen diesmal unsere beiden Gebirgsburgenländer René Mayer und Joachim „Josi“ Steffek und der von einer Erkältung wieder genesene Daniel Wabnegg die Reise zum Start nach Landeck auf sich.

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Begleitet wurden wir diesmal von Renés Schwester Maria und Joachims Freundin Rebekka was für uns einen wahren Glücksfall darstellte, da wir von den beiden hübschen und charmanten Mädels mehr als perfekt betreut wurden.
Betreuung bei Marathons ist meistens ein schwerer Job und mit vielen Kilometern auf Umwegen im Auto, langen Wartezeiten und komplizierter Suche nach der vereinbarten Verpflegungsstelle verbunden. Umso dankbarer sind wir, dass sich immer wieder Verwandte, Bekannte oder Freunde von Teammitgliedern diese Arbeit auf sich nehmen und uns wirklich professionell unterstützen.
An dieser Stelle ein großes Dankeschön von uns für eure Hilfe!

Das Rennen:

Die nächste Härteschlacht nach dem Ötztaler Radmarathon bescherte unseren Fahrern eine vollkommen andere Renndramaturgie als die, die sie zwei Wochen dafür erfahren durften.
Nur wenige Kilometer nach dem Start in Landeck ging es gleich zum ersten Anstieg der Pillerhöhe hinauf. Und unseren Fahrern wurde von der ersten Minute nichts geschenkt!
Gleich am Fuße des Anstiegs attackiert der zweimalige Glocknerkönig und Tour Transalp Gesamtsieger Klaus Steinkeller. Wer diesen Fahrer kennt, weiß grundsätzlich, dass der erste Platz im Rennen bereits vergeben ist. So stark und so erfolgreich wie sich dieser Fahrer in den letzten Jahren präsentierte, kann man durchaus sagen, dass er mit ein paar wenigen Anderen zu den besten der mitteleuropäischen Amateurszene gehört.

Und trotzdem war es Daniel, der seiner Attacke als einziger folgte (man hat ja nichts zu verlieren bzw. gewinnt sogar ein paar hübsche Stunden des Schmerzes ;-).

Auch René und Josi waren auf Angriff gepolt und ließen es von Beginn an ordentlich krachen! Wozu auch Kräfte sparen, die Saison ist ja bald zu Ende, daran ändern auch die noch vor uns liegenden
140 km nichts oder?

In guter Position überqueren alle drei Fahrer des Teams die Pillerhöhe. Daniel mit Klaus Steinkeller an der Spitze, wenig dahinter René gefolgt von Josi.

In der Abfahrt wird Daniel unerwartet und sehr gefährlich von Steinkeller attackiert, als sich dieser mit viel Risiko zwischen einem Reisebus und dem Gegenverkehr zwängt, dabei sogar aus dem Pedal gehen muss und eines der Autos berührt.

Daniel riskiert nichts und folgt ihm nachdem sich dieser Ministau aufgelöst hat, sieht aber, dass Steinkeller es anscheinend darauf angelegt hat ihn abzuhängen, da er weder wartet bzw. sogar das Tempo in der nicht ungefährlichen Abfahrt noch forciert.

Also ein 5 stündiges Einzelzeitfahren oder die schwierige Frage der weiteren taktischen Wegrichtung. Daniel entscheidet sich nicht auf die Verfolger zu warten aber auch nicht mit letztem Nachdruck Steinkeller hinterher zu hetzen und fährt die folgenden 40 km bis zum zweiten Anstieg des Tages, der Norbertshöhe vor Nauders, alleine im starken Gegenwind zügig, aber nicht komplett am Anschlag, bevor er dort von einer 7 Manngruppe eingeholt wird.

Ein kleinwenig gemütlicher haben es René und Josi, die sich gemeinsam in einer kleinen Verfolgergruppe festgesetzt haben und dort für ordentlich Tempo sorgen. Mit stärker werdendem Gegenwind blühen die beiden Burgenländer förmlich auf – es sind ihre Bedingungen!! Als Gebirgsburgenländer fährt man gewöhnlich immer gegen einen Widerstand, entweder in der Form eines Anstiegs oder eben gegen den Wind J. Treffen aber in einem Rennen beide Umstände zusammen, ist ihr Heimvorteil perfekt. Hinzu kommt, dass dieses Rennen Start und Ziel an unterschiedlichen Orten hat und man praktisch nur in eine Richtung fährt. Gegenwind und Rückenwind gleichen sich daher nicht aus, sondern der Wind kommt das ganze Rennen durchgehend aus einer Richtung. In unserem Fall also stundenlänger Gegenwind.

Der Weg über Nauders, Resch bzw. dem Reschenpass gestaltet sich für alle drei als harte Prüfung, da der Gegenwind auf diesem Hochplateau noch deutlich zunahm. Wieviel Kraft wird das wohl dem alleinigen Spitzenreiter kosten? Wäre es nicht klüger gewesen, diesen Weg zu zweit zu bestreiten?
Die Antworten auf diese Fragen sollten nicht lange auf sich warten lassen.

Nach dem Reschenpass kurze Entlastung in der Form einer Abfahrt und dann über die Schweizer Grenze hinein in den Königsanstieg des heutigen Tages, dem Umbrailpass der ohne Abfahrt nahtlos in den Anstieg zur Stelvio also zum Stilfserjoch übergeht, wo mit mehr als 2757 m Seehöhe die Cima Coppi als der höchste Punkt des Rennens erreicht ist.

Atemberaubende Bilder tun sich in diesem Anstieg für unsere Jungs auf! Zu Beginn des Anstiegs von Santa Maria bis zur Baumgrenze, traumhafte Serpentinen im Wald, danach leicht schneebedeckte Alpengipfel in ihrer spektakulärsten Form!

Und spektakulär verläuft auch das Rennen!!

Daniel setzt sich bereits in Santa Maria von seiner Gruppe ab, die in den ersten Kilometer des Bergs vollkommen zerfällt. 2 Fahrer folgen Daniel mit ca. 40 Sekunden Abstand in den Anstieg, die restlichen Fahrer der Gruppe fallen etwas zurück. Bereits davor wurde uns der Abstand von Klaus Steinkeller gemeldet: „4 Minuten am Fuße des Anstiegs“.

…und das Momentum ist an diesem Tag etwas unschlüssig welche Seite es unterstützen soll.

Was dann folgt sieht man eigentlich nur im Fernsehen, bei einer Übertragung der Tour oder des Giro!
Daniel verliert im Laufe des Anstiegs immer mehr von seinem Vorsprung auf seine beiden Verfolger bis sie nur noch wenige Meter hinter ihm sind.

Zur gleichen Zeit wiederum schmilzt der Vorsprung von Klaus Steinkeller in noch größerem Ausmaß zu seinen Verfolgern.
Daniel kämpft, immer im Hinterkopf, dass da am Ende noch ein letzter Anstieg kommt. Da er jedoch nach mehr als 45 Minuten durchgehenden Anstieg scheinbar nichts mehr zusetzen kann, sind mentale Durchhalteparolen die einzigen Rettungsanker. Insgeheim freundet er sich jedoch bereits mit dem vierten Gesamtrang an.

Circa drei Kilometer vor der Passhöhe des Umbrail dann die Überraschung, die Verfolger verlieren plötzlich massiv an Boden und der eigene Wille hat wieder Feuer gefangen und spendiert 20 Extrawatt!

Angetrieben von der Euphorie gibt der Körper wieder deutlich mehr Leistung her und der Abstand zu den Verfolgern wächst stetig an. Im Anstieg zur Stelvio dann zum ersten Mal den Führenden in Sicht und bei gefühlten Minusgraden mit Vollgas in die Abfahrt.

Etwas dahinter hat sich René in der Schweiz leicht von seiner Gruppe abgesetzt und fährt mutig seinem besten Ergebnis bei einem großen Bergmarathon entgegen. Und auch Josi, der sich seit der Transalp immer mehr steigern konnte lässt den Großteil der Gruppe hinter sich und zeigt an den Kehren des Umbrailpasses Kämpferherz.

Man kann die Leistung der Beiden nicht hoch genug einschätzen, da sie beide, insbesondere René ja mehr oder weniger sehr kurz im Rennsport sind und diese Art von Marathons eigentlich jahrelange Erfahrung und Training benötigen.

Man muss es an dieser Stelle ehrlich aussprechen, ein Fahrer wie Daniel, der bereits 15 Jahre Wettkampfsport betreibt und der 3 Jahre darauf hintrainiert hat, sich von Kurzdistanzen kommend die Fähigkeiten für Marathonbewerbe mit alpinem Profil anzueignen, hätte sich mit zwei bis drei Jahren Training in den Beinen nie derartig gut geschlagen, bzw. den Mut besessen solche Bewerbe zu bestreiten. Umso höher sind der Mut und die Leistung eines René oder eines Josi zu bewerten. Hut ab vor deren tapferer Leistung!! Radsport bzw. vor allem Marathons bedeuten jahrelanges Training, erst dann kann man die Früchte des Erfolgs ernten. Da die Beiden am Beginn ihrer Karriere bereits so stark sind, darf man sich für ihre sportliche Zukunft viel erwarten!

Konzentriert in die Abfahrt – fokussiert in den Anstieg

Knapp 50 Kehren sind es, die jedem von uns nicht nur bergan Schmerzen bereiten können.
Abgesehen von der Kälte im oberen Bereich des Bergs gibt es praktisch keine Zone des Oberkörpers der nicht zu schmerzen beginnt und die massive Belastung in der technisch schwierigen Abfahrt verursacht bald starke Schmerzen im Rücken und in den Armen.

„Vergiss den Schmerz und konzentrier dich auf die Strasse, sonst war der ganze Einsatz umsonst“

„Denk nicht an den folgenden Anstieg sondern bleib bei den Kehren im Hier und Jetzt!“

Immer wieder muss man sich im Adrenalinrausch der Abfahrt diese Zeilen vergegenwärtigen – ein Fehler ist schnell gemacht und die Folgen oft fatal.

Die Freude auf den letzten Anstieg ist daher doppelt so groß und jeder von uns stirbt hier seinen eigenen Tod im positiven Sinne (klingt unlogisch und makaber, ist aber so).

Daniel kommt mental gestärkt und mit erstaunlich guten Beinen in den Schlussanstieg. Der zweite Platz scheint abgesichert, der Vorsprung am Stilfserjoch mindestens eine Minute, in der Abfahrt kann man schwer Zeit aufholen und zu sehen ist auch niemand. Zumindest nicht hinter ihm.

Den vor ihm taucht plötzlich der Führende Klaus Steinkeller auf und sein Vorsprung schwindet immer mehr.

Drei Kilometer vor Schluss dann das unvorstellbare, Daniel holt ihn ein, attackiert sofort und wird nicht verfolgt. Leer und ausgepumpt von der stundenlangen Solofahrt hat Steinkeller keine Reserven mehr übrig, sondern wirkt komplett todgefahren.

Die letzten Kilometer werden also zur Jubelfahrt und der Sieg beim Alpentraum nach einer Fahrzeit von 5 Std. und 37 Minuten bedeuten für Daniel neben dem perfekten Ötztaler Marathon ein tolles Saisonfinale nach einer Saison die gesundheitsbedingt bis zum Juli vielleicht die Schlimmste seiner Rennkarriere war!

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Und nur etwas dahinter fährt René zu seinem besten Ergebnis bei einem Alpenmarathon dieser Art.
Bravourös peitscht sich der „Adler vom Geschriebenstein“ selbst den letzten Anstieg hinauf um als 18 in der Overall Wertung bzw. als Sechster seiner Altersklasse anzuschlagen. Ein Kampf bis zum letzten Schweißtropfen der mit einem Top Ergebnis belohnt wird.

Und „last but not least“ Josi der sich mit dem 23. Gesamtrang bzw. 15 Rang in der Altersklasse ebenfalls deutlich steigert und, etwas Spezialtraining und ein paar zusätzliche Wettkämpfe mit dem Team im nächsten Jahr vorausgesetzt, großes Steigerungspotenzial für die kommende Rennsaison in seinen Beinen hat. Und für Beide gilt, jedes Rennjahr und jeder Wettkampf bringt zusätzliche Kondition und Erfahrung und lässt einen eine Stufe auf der Erfolgsleiter nach oben klettern!

Bericht: Daniel Wabnegg