ESR 400 – From Dawn till Dusk

ESR 400 – From Dawn till Dusk

(mit dem Rad an einem Tag von Graz nach Triest)

Mit Sicherheit gibt es angenehmere Wege eine Saison wie diese ausklingen zu lassen, als am zweiten Freitag im Oktober (09.10.2015) um 04:30 Uhr morgens bei Dunkelheit in Mellach bei Graz zu einer 400 km langen und 15 Stunden dauernden (bzw. 13 Stunden wenn man die reine Fahrzeit am Rad nimmt) Odyssee nach Triest aufzubrechen.

Zwei gemütliche Stunden am Rad mit anschließender Sturm und Maroni Verkostung vielleicht?

Keine Frage das wäre sicherlich entspannender gewesen!

Wieso also noch einmal dermaßen an die physischen und psychischen Grenzen gehen?

Es gibt viele Gründe dafür, allen voran das unbeschreibliche Glücksgefühl, das in einem aufkommt, wenn man in der Abenddämmerung (um ehrlich zu sein war die Abenddämmerung leider schon etwas fortgeschritten, manche würden es auch Dunkelheit nennen) nach einer mehr als harten Fahrt die Zahl 400 am Feld Distanz auf dem Garmin aufleuchten sieht, während man den virtuellen Zielbogen vor dem Hotel an der Küstenstraße in Triest durchfährt.

Der vielleicht wichtigste Grund ist es aber, noch einmal alle Kräfte zu bündeln um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Sich als Teil einer Gruppe zu sehen, in der die Stärkeren die Schwächeren unterstützen, die zusammenhält und die durch perfekte Zusammenarbeit und Organisation das gemeinsame Ziel erreichen möchte und am Ende auch wird!

Es sind diese Art von Unternehmungen, die ein Team charakterlich wachsen lässt, da man in keiner Sekunde an sich denkt, sondern nur daran wie man gemeinsam diese schwierige Aufgabe lösen kann.

Ein weiterer Grund könnte auch sein, dass wir recht viele Masochisten im Verein haben die noch einmal an ihre Grenzen gehen möchten um ihren Beinen zu vermitteln: „Noch 400km, dann könnt ihr euch einmal ein paar Tage ausruhen – aber dann geht’s wieder voll los!“. Beim letzten Grund handelt es sich aber mehr eine reine Annahme bzw. ein bloßes Gerücht ;-).

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Nun aber genug der Philosophie und zurück zum Sport:

ESR 400 – die Strecke, die Zahlen:

Start in Mellach bei Graz (Steiermark) über Voitsberg, den Packer Sattel (1. Bergwertung) nach Wolfsberg (Kärnten) – Griffen (2 Bergwertung) – Klagenfurt – Villach – Arnoldstein – Tarvis (Italien) – Cave/Lago del Predil – Sella Nevea (3. Bergwertung) – Chiusaforte – Cividale del Friuli – Monfalcone bis zum Ziel in Triest.

In Zahlen waren das am Ende des Tages 13 Stunden Nettofahrzeit mit fast 31 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer Gesamtdistanz von 401,5 km mit knapp 3500 Höhenmetern.

ESR 400 – der Erfinder der heurigen Strecke und die Vorbereitung auf den Event:

Unser Dottore Peter Muntean hat sich unmittelbar nach den letzten ESR 400 dazu bereiterklärt diese neue tolle Strecke zu entwerfen. Damit am Tag X auch alles nach Plan läuft wurde die Strecke dann im September nochmals von Peter und Daniel (etappenweise) komplett befahren, was sich im nach hinein aufgrund mancher Schlüsselstellen und einem äußerst strengen Zeitplan als immens wichtig herausstellte. Einen herzlichen Dank an dieser Stelle an Peter, den Vater der heurigen ESR 400!!!

ESR 400 – unser Betreuer, unser Abholdienst, unser Obmann:

Für unsere diesjährige Austragung hatten wir das große Glück und die große Ehre, dass sich Daniels Vater Luis bereiterklärte uns zu betreuen und den Teambus zu pilotieren, was er, das kann man gleich vorwegnehmen, absolut perfekt erledigte und wofür er großen Dank verdient!

 

Weiters erklärte sich unser Plänkoman, Martin Plank dazu bereit am Samstag, mit dem dankenswerter Weise von Bernhard Kohl zu Verfügung gestellten 2ten Begleitfahrzeug, nachzukommen um mit uns am Sonntag wieder zurück nach Graz bzw. Wien zu fahren. Vielen herzlichen Dank an dieser Stelle an unseren Martin!!! Wir geben die Hoffnung nicht auf, auch ihn zu einem der nächsten ESR 400 zu überreden.

Last but not least ein Dank an unseren immer fleißigen Obmann Robert, der sich nicht nur während den ESR 400 durch viele Kilometer im Wind auszeichnete sondern auch für seine hingebungsvolle Unterstützung bei diesem Event und über das ganze Jahr hinweg!!!!

ESR 400 – die Protagonisten:

Wer waren die tapferen Teilnehmer unseres Gentlemen and Ladies Ride“?

Wie gewohnt Ladies (oder besser Lady) first. Wie bereits im letzten Jahr, ließ sich unsere Karin diese Tortur nicht entgehen.
Und obwohl sie heuer wieder eine Wahnsinnsleistung ablieferte, so wird uns doch Ihre Leistung 2014 auf ewig in Erinnerung bleiben. Damals erwischte Sie im Dunklen, bereits nach ca. 30 km, eine der längs verlaufende Fräskante im Asphalt und kam dabei schwer zu Sturz. Vollkommen abgeschunden, mit offenen Wunden, zerrissener Kleidung und teils schweren Prellungen am ganzen Körper fuhr sie damals jedoch die gesamte Strecke fertig (es waren 394 km mit knapp 2500 Höhenmetern von Graz nach Porec). Viele der teilnehmenden Männer hätten umgedreht oder wären ins Begleitauto eingestiegen, aber nicht Karin! Die setzte sich damals (aus eigenem Antrieb) nach kurzer Pause, vor den Augen völliger verblüffter Teamkollegen, die nicht glauben konnten was sie da sahen, wieder auf ihr Rad und fuhr die Strecke komplett bis zum Ende aus. Man sieht also, wir haben zwar richtig harte Burschen im Team, aber die Härteste unter uns ist unser Mädel!!

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Und nun zu den Gentlemen:

Neben den kampferprobten Wiederholungstätern Robert Rothschedl, Peter Muntean, Stefan Stumpf, Markus Plank, Adolfo Koppensteinero und Daniel Wabnegg, die bereits letztes Jahr an diesem epischen Unternehmen teilnahmen, waren dieses Mal mit Joachim „Josinger“ Steffek und René „dem Adler vom Geschriebenstein“ Mayer unsere beiden Gebirgsburgenländer als Debütanten mit von der Partie. Da sich die Beiden im Laufe der Saison als überaus Höhenmeterresistent, Gegenwindimmun, Belastungsunempfindlich und zu keinem Moment als Schmähstad herausstellten, sollte einem erfolgreichen Debüt und einer guten Stimmung nichts im Wege stehen.

Das Abenteuer begann…

… wie beschrieben, morgens um 04:30 Uhr bei leichtem Nieselregen, nasser Strasse, und Dunkelheit (aber zum Glück auch milder Temperaturen). Die Dunkelheit war dann die ersten zwei Stunden bis zum Anstieg zum Packer Sattel auch unser ständiger Begleiter, ehe das Tageslicht die Jungs und das Mädel zumindest von dieser Sorge befreite.

Da das Zeitmanagement bei dieser Unternehmung eine sehr große Rolle spielt, gab es auf der Pack nur eine kurze Pause von 5 Minuten, dann war volles Tempo bis Wolfsberg angesagt wo nach ca. 100 gefahrenen Kilometern die erste richtige 20 minütige Pause stattfand.

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Auf dem nächsten Teilstück von Wolfsburg nach Tarvis ging es über den Griffen und auch sonst recht wellig dahin. Hier den richtigen Rhythmus zu finden und die Schwächeren an den Anstiegen nicht zu überfordern bzw. sie zu unterstützen und an den flachen Passagen ordentlich Tempo zu machen um in der Zeit zu bleiben (bzw. aufzuholen) ist die größte Herausforderung und Aufgabe dieser Unternehmung. Ein weiteres Hindernis stellte das wiederholte Stop and Go in Klagenfurt und Villach dar, wodurch sich bei einigen von uns erste Knieschmerzen einstellten.
Zu guter Letzt machte sich gegen Ende dieses Teilstückes bei allen eine starke Unterzuckerung bemerkbar, sodass die Pause in Tarvis von allen herbeigesehnt wurde.

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Umso exzessiver war dann natürlich das Carboloading in dieser Pause, doch dank Karins selbstgemachten Reis- und Hirseaufläufen und Haferflockenriegel und Roberts belegten Kornspitzen war die Truppe bald wieder aufgeladen und kampfbereit für den schönsten Teil der Tour.

Den das was jetzt kam war einfach nur atemberaubend (natürlich nur für diejenigen die nach fast 250 zurückgelegten Kilometern noch Luft hatten ;-). Über den Cave del Predil zum herrlichen Gebirgssee, dem Lago del Predil auf den 1200m hoch gelegenen Sella Nevea verfolgte uns eine traumhafte Kulisse im Stile eines „Indien Summers“.

Gefundene Ablenkung für geschundene Beine könnte man sagen.

Klarerweise waren die Strapazen zu diesem Zeitpunkt schon spürbar. Besonders Stefan hatte schon sehr mit starken Knieschmerzen zu kämpfen und auch für Karin waren die Anstiege, die zwar nicht im Renntempo, aber aufgrund des straffen Zeitmanagements doch zügig gefahren werden mussten eine echte Herausforderung. Dem Teamgeist folgend versuchten Josi, Daniel, Robert und René so gut es geht Unterstützung zu geben, was auch sehr gut gelang.

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Nach der Abfahrt von der Sella Nevea startete der bärenstarke Markus so richtig durch und führte die hinteren Fahrer wieder zur Gruppe. Das war dann auch der Moment in dem die plankschen 4 Stunden eingeläutet wurden. In seinem unnachahmlichen kraftvollen Stil spannte sich unser Markus vor die Gruppe und übernahm die Rolle des Lokführers. Viele Kilometer mit teilweise fast 40 km/h folgten und ließen uns wieder etwas von der verlorenen Zeit aufholen. Zusätzlich empfing uns bereits in Chiusaforte Sonnenschein und warme Temperaturen aber leider auch Gegenwind.

An den letzten Hügeln vor Cividale del Friuli (wo nächstes Jahr übrigens eine Bergetappe des Giro de Italia enden wird) ereilte uns dann leider ein herber Rückschlag! Stefans Schmerzen im Knie (genauer gesagt im Meniskus) werden immer größer und hatten sich bereits auf ein fast unerträgliches Ausmaß ausgedehnt. Versuche die Belastung mit dem heilen Bein zu kompensieren blieben erfolglos, da sich durch die einseitige Belastung bald Krämpfe bemerkbar machten.

Stefan ist ein Kämpfer und als solcher, auch im Zuge der letzten Pause in Cividale del Friuli, noch hoffnungsvoll die Fahrt nach der Pause zu Ende fahren zu können. Doch es sollte leider anders kommen: Unmittelbar nach der Weiterfahrt merkte Stefan, dass die Schmerzen im Meniskus es unmöglich machen die letzten 70 km durchzufahren. Klarerweise enttäuscht, war er gezwungen ins Begleitfahrzeug einzusteigen. Es ist immer schade und traurig einen Mitstreiter am Weg zu verlieren, man weiß aber nie für es gut ist bzw. hätte ein Weiterfahren vermutlich noch größeren Schaden angerichtet. Stefan hat übers ganze Jahr hinweg Großes für den Verein geleistet und hat gezeigt, dass Aufgabe für ihn nie eine Option darstellt, in diesem konkreten Fall war es aber die eigene Gesundheit die ihn bremste und ihn quasi zum einzig Richtigen zwang. Eines steht aber jetzt schon fest, nächstes Jahr wird Stefan umso motivierter am Start der ESR 400 stehen, da ein Fighter wie er, offene Rechnungen immer begleichen möchte.

Die Übriggebliebenen mussten sich jetzt aber sputen, war doch bereits der Abend hereingebrochen und die Fahrt in der Dunkelheit drohte.

Genau zu diesem Zeitpunkt kam die Gruppe dann leider durch eine Unachtsamkeit vom kürzesten Weg ab und musste zusätzliche Kilometer abspulen. Einziger positiver Punkt daraus war, dass ansonsten nicht 400 am Tacho gestanden wäre. Negativer Aspekt war der Zeitverlust und die Tatsache, dass die Gruppe bei nicht ungefährlichen Bedingungen (soll heißen typisch italienischem Verkehr) im Dunklen ihren Weg ins Ziel nach Triest finden musste.

Hier kam wieder einmal unser treuer Begleiter und Betreuer Luis ins Spiel. Nachdem uns Luis bereits die ganze Reise hindurch perfekt betreute und mit dem Teambus immer bei uns war um sofort Hilfe und Unterstützung geben zu können, schirmte er die Gruppe wie bereits morgens nach unserem Start so gut es ging vom Verkehr ab indem er unmittelbar hinter uns fuhr und den Verkehr zwang das Tempo zu drosseln.

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An dieser Stelle ein riesengroßer Dank an Luis für seine professionelle und tolle Unterstützung, ohne ihn hätten wir an diesem Tag unser Ziel mit Sicherheit nicht erreicht!!

TRIESTE – GRANDE ARRIVO!!!!!!!

….und so kam es schlussendlich das 7 Burschen und ein Mädel nach 13 Stunden Fahrzeit bzw. 401,5 Kilometern, etwas verhungert, leicht unterkühlt und sehr erschöpft aber ungemein glücklich um 20:00 Uhr bei bereits eingetretener Dunkelheit ins Hotel Rivera an der Küstenstraße von Triest einbogen. Der Jubel war groß, gestalteten sich doch die letzten 2 Stunden am Rad nach der finalen Pause als überaus kräftezehrend und nicht enden wollende Tortur.

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Doch genau das ist es, was diesen Event ausmacht – ein verdammt harter und nicht enden wollender Tag am Rad gemeinsam mit dem Teamkollegen. Alleine sind wir stark, aber gemeinsam schaffen wir auch das (fast) Unmögliche!

Berichterstatter: Daniel Wabnegg